Zwischen Niederlage und Erfolg – Wie mache ich das Beste aus sportlichen Rückschlägen?

“Don’t be embarrassed by your failures, learn from them and start again.”

Erfolg und Misserfolg liegen im Sport ganz nah beieinander. Beides brauchen wir als Sportler um zu lernen, um uns weiterzuentwickeln, um zu wachsen und stärker zu werden. Ich glaube, wir alle berichten viel lieber über unsere sportlichen Erfolge, von den Podestplätzen nach einem harten Rennen, von Bestleistungen und Zielsprints. Aber auch Niederlagen, Fehler und Scheitern sind Teil des Sports.
Ganz bestimmt bin ich nicht die einzige Sportlerin, die mit Verletzungen und Rückschlägen zu kämpfen hatte. Ich hoffe die eine oder der andere findet sich in meinen Zeilen wieder, fühlt sich verstanden und findet Gewissheit, dass auf jedes Tief ein Hoch folgt. So simpel es auch klingt: es geht nicht um den Rückschlag, sondern wie wir mit der Situation umgehen.

Vorbereitung auf das nächste Abenteuer

Letztes Jahr habe ich mir das große Ziel gesetzt, meinen ersten 100km Trail-Wettkampf zu wagen. Jeden Morgen schnürte ich mir entweder die Laufschuhe oder schnallte mir die Ski an die Füße. Ich trainierte eisern, hart, mit so viel Leidenschaft und Ausdauer wie nie zuvor! Mit dem Training wurde mein Körper stärker, zäh. Die ersten Rennen zur Vorbereitung verliefen sehr gut. Ich war zufrieden mit meiner sportlichen Leistung und hoch motiviert.

Bei jedem Wetter stapfte ich durch Schnee und über Eis, immer darauf bedacht, ein kleines bisschen besser zu werden. Im Frühling genoss ich das Training in kurzen Sachen und ließ mich auch trotz des Covid19-Wahnsinns nicht davon abbringen, hart für mein gestecktes Ziel zu arbeiten. Ich habe lange überlegt, ob ich jemandem davon erzählen will, dass ich vorhabe im Wettkampf 100 km zu laufen. Außer einer Hand voll Leuten wusste niemand von dem Versuch. Und das aus genau einem Grund: die Gefahr des Scheiterns. Was, wenn ich die Leistung nicht erbringen kann? Mein Körper der Anstrengung nicht gewappnet ist?

Das langersehnte Rennen

Im August war er dann da, der große, lang ersehnte Wettkampftag. Ich stellte mich an die Startlinie und war mir meiner Sache sicher, top motiviert und natürlich auch ein bisschen aufgeregt. Voller Freude und stärker als in keiner Saison zuvor. Ich hatte unglaublich viel Spaß auf den Trails, war bei den Damen ganz vorne mit dabei. Meine Beine waren stark und auch mein Magen machte mir, zum ersten Mal, keinerlei Probleme. Die Aussicht – atemberaubend. Alles schien perfekt.

Doch dann bekam ich auf der Strecke Blasen. Keine kleinen, welche man mit einem Pflaster oder Tape überkleben könnte. Es waren riesige Blasen, die sich über die ganze Fußsohle erstreckten. Sie waren das Ende meines Rennens. Ganz egal wie weit vorne ich lag, ganz egal wie stark meine Beine noch waren. Blasen die so groß sind wie eine Handfläche stoppen – gnadenlos. Mich und vermutlich auch jede*n andere*n Athlet*in in dieser Situation. Ein bitterböses Ende nach 15 Stunden und 75 Kilometern. Mehr oder weniger kurz vor dem Ziel und dennoch eine zu weite Strecke, um sich irgendwie ins Ziel zu schleppen.

Es gab viele Tränen, Wut und Verzweiflung. Getoppt wurden meine Emotionen mit Selbstzweifeln. Die Autofahrt nach Hause war still, ich sah aus dem Fenster und versuchte zu verarbeiten, dass ich gescheitert war. Mein großes Ziel war mir wie Sand durch die Finger geronnen, doch ich habe versucht, den Rückschlag mit Fassung zu tragen – und war gleichzeitig irrsinnig zerschmettert.

“Scheitern gehört dazu. Auch wenn es weh tut.”

Meine Blasen verheilten und es dauerte eine kleine Weile, aber schon bald hatte ich wieder Laufschuhe an den Füßen. Ich habe nicht das Handtuch geworfen oder den Mut verloren. Natürlich habe ich gehadert, mich geärgert, mir überlegt, welchen Schuh ich hätte tragen müssen um auf dem Weg keine Blasen zu bekommen. Und ich kam zu dem Entschluss: Ein Ultramarathon birgt immer das Risiko des Scheiterns. Du kannst bei sportlichen Höchstleistungen den besten Tag deines Lebens am Trail verbringen, aber auch den schlimmsten. Es kann auch sein, dass dir beides im selben Rennen passiert. Distanzen wie diese sind unberechenbar. Der Körper und der Geist funktionieren nicht immer gleich, sind nicht immer in Topform.

Warum ich heute vom Scheitern erzähle? Weil es dazu gehört. Weil selbst die stärksten Sportler und besten Athlet*innen nicht immer ins Ziel kommen. Weil wir alle dieses Gefühl kennen. Und weil Sport nicht nur aus großartigen Zielfotos und Medaillen besteht. Die Niederlagen machen uns genauso stark wie unsere Erfolge: der Umgang mit den Rückschlägen ist das, was am Ende zählt.

Niederlagen, Misserfolge, Fehlschläge und auch Verletzungen brauchen Zeit zum Verdauen. Und so sehr ich mich letzten Sommer geschämt habe, nicht ins Ziel gekommen zu sein – Scheitern gehört dazu. Auch wenn es weh tut. Scheitern bedeutet aber nicht, dass du aufgeben musst. Es wird noch viele Marathons geben und immer wieder eine Möglichkeit, besser zu sein als gestern. Der Tag, an dem du erfolgreich über die Ziellinie stolperst, unendlich glücklich, kaputt und zufrieden, kommt bestimmt.

Der zweite Anlauf

Fünf Wochen nach meinen Fehlversuch habe ich mir die nächste Startnummer um den Bauch gehängt und bin losgelaufen. Die Tage zuvor habe ich damit verbracht mir zu überlegen, welche Trailrunningschuhe und welche Socken ich anziehe, um zu vermeiden, dass mich Blasen an den Füßen noch ein zweites Mal von meinem Erfolg abhalten. Und wisst ihr was? Ich bin den besten Marathon meines Lebens gelaufen. 100 Kilometer Trail, auf und ab, steile Wege hinauf und hinunter und ich habe jeden einzelnen Kilometer genossen.

Ich gehöre weder zu den besten noch zu den talentiertesten Läufern in der Trailrunning Szene, aber ich wage zu behaupten, dass ich mein fehlendes Talent stets mit harter Arbeit erfolgreich ausgleichen kann. Ich zähle nicht zur sportlichen Spitze, aber meine Leidenschaft ist grenzenlos. Manchmal tut eine kleine Auszeit, ein bisschen Abstand zum Sport und vom Ehrgeiz ganz gut. Niederlagen geben dir die Möglichkeit demütiger und nachdenklicher zu werden. Sie lassen dich reflektieren und halten dir auch deine eigenen Grenzen vor Augen. Nichtsdestotrotz darfst du dich von einem Rückschlag niemals unterkriegen lassen. Setz dir Ziele und arbeite hart, dann wirst du am Ende belohnt. Auch wenn du dir dabei ein paar  Mal die Knie aufschlägst, dich verirrst oder sogar ein Rennen abbrechen musst. Das unglaubliche Gefühl des Stolzes ist es definitiv wert!

Ich weiß, ich werde noch viele Male hadern, scheitern, fluchen und weinen, aber ich werde noch mindestens genauso oft vom Training zurückkehren und strahlen, über Ziellinien stolpern und vollkommen zufrieden sein. Die Berge sind dazu fähig einem alles zu nehmen und gleichzeitig geben sie mir so viel Kraft und Energie, dass ich mich trotz Rückschlägen immer wieder in neue Abenteuer stürze!

Beitrag von Yvonne Keil

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